Ein Abend in der Münchner Staatsoper:
Das
Licht wird von dem riesigen Kronleuchter reflektiert. Alles funkelt und
glitzert. Ich betrachte die Menschen um mich herum. Elegante Abendgarderobe,
verzierte Cocktailkleider, doch auch treue Pulli-Anhänger, die der Kälte
draußen scheinbar noch nicht ganz entfliehen können.
Als sich das Licht verdunkelt spüre ich die gespannten Erwartungen auf das nun Folgende.
Der Vorhang lichtet sich
und wir sehen kleine Menschengruppen in starrer Haltung auf einer eher düsteren
und kargen Bühne angeordnet. In meinem Kopf rattert es bereits…welche der
Frauen könnte Anna Karenina sein? Da setzt es sich auch schon in Bewegung.
Fließende Bewegungen, ein langsames Erwachen. Ein Mann, dessen Avancen
gegenüber den Dienstmädchen in den Vordergrund rücken. Ich bin verwirrt…ist er
der Bruder, Ehemann oder eine völlig fremde Person? Vielleicht hätte ich mir
vorher die Geschichte noch einmal genauer in den Kopf rufen müssen.
Die folgende Stunde ist immer wieder von Momenten wie diesem durchzogen. Es
gibt einen stetigen Wechsel dreier ähnlich anmutender Frauen, welcher mein
Verständnis noch verschleiert. Doch spätestens als Anna Karenina in ihrem berühmten wunderschönen roten Kleid über die Bühne schwebt, lichtet sich alles. Ihre Paartänze
mit dem Offizier ziehen mich in ihren Bann. Wie können solch hart trainierte Bewegungen
so rein, natürlich und anmutig aussehen? Dieser Tanz strahlt eine Art der
Intimität aus, die mich völlig einnimmt. Es fühlt sich an als wäre der ganze
Saal berauscht.
Es folgt unter anderem eine Szene auf dem Feld. Mehrere Männer betreten
oberkörperfrei die Bühne, vor mir flüstert jemand „Oh, jetzt wird es spannend!“
und es beginnt ein Tanz, der durch seine Synchronität und Kraft besticht. Es
ist deutlich dynamischer, akzentuierter als davor. Umso mehr fallen mir leider
ein zwei Stellen auf, die nicht ganz so synchron waren wie erwartet. Eine große
Überraschung folgt bald darauf vor allem durch eine Sängerin. Die einzig
gesprochenen Worte. Auf Russisch. Doch das heißt nicht, sie könnten einen
weniger erreichen. Die Stimme der Sängerin füllt den Saal, ich bemerke wie sich
im Publikum einige anerkennend zunicken. Es ist schön eine Stimme zu hören.
Emotionen über menschliche Klänge vermittelt zu bekommen. Der erste Abschnitt
endet mit einer dramatischen Geste: einer der Hauptcharaktere kniet allein am
Rande der Bühne und hält sich seine Pistole an den Kopf. Unterstrichen durch
die Dramatik der Musik hat das Fallen des Vorhangs hier eine starke Wirkung.
Die Lichter gehen an und ich muss erst einmal durchatmen.
Nach der Pause wird schnell klar, wir nähern uns dem „grand finale“. Ich muss
lächeln beim Anblick der bezaubernden Hochzeit, die mit solch tänzelnder
Leichtigkeit an uns vorbei zieht. Es dauert jedoch nicht lange bis sich das
Blatt wendet und die Bühne zum Schauplatz eines tragischen Schicksals wird.
Anna Karenina trägt inzwischen ein immer noch wunderschönes Kleid. Doch,
diesmal in schwarz. Sie wird wechselnd umzingelt von der Familie und der so
hübsch gekleideten Gesellschaft. Von allen Seiten: Verurteilung. Verurteilung.
Verurteilung. Ich spüre wie mir schwer ums Herz wird. Es ist doch immer noch
die größte Tragik. Die unglückliche Liebe und das Streben nach Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft.
Das klingt ja wundervoll und du hast es so gut geschrieben.
AntwortenLöschenKonnte mir das ganze richtig gut vorstellen
Liebe Grüße Michelle von beautifulfairy