Buchtipp - Honigtot von Hanni Münzer

Honigtot von Hanni Münzer

"Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben.” - Albert Einstein

Ein junges naives Mädchen mit einer Impulsivität wie sie wortwörtlich für Teenager im Buche steht, hat zwar das Temperament, aber auch den Mut und die Leidenschaft einer Löwin.
Kindliche Torheit meets erwachsenes Selbstbewusstsein.
Was aus dieser explosiven Mischung geschieht kann sich jeder selbst ein Bild machen.
Aber nun der Kontext. Die Nachforschungen einer Frau aus Amerika und ihrer Tochter bringen sie an ein Familiengeheimnis, welches eine Geschichte voll Verlust, Angst, Betrug und Mut erzählt.

Die Familie von Elisabeth und Gustav zur Zeit der 30er in München. Der Beginn des Nationalsozialismus und damit eine grundlegende Bedrohung, denn Gustav ist Jude und seine zwei Kinder Deborah und Wolfgang somit halbjüdisch. Erzählt der Rückblick erst eine Geschichte aus den Augen einer Mutter und Ehefrau, ändert sich dies später und Tochter Deborah nimmt die Helden und Antihelden-Rolle in einem an. Die Gräuel des Nationalsozialismus steigern sich mit der Macht Hitlers und niemand geht daraus unbeschadet hervor. Doch was geschieht mit Menschen, denen alles genommen wurde? Wie weit kann Verdrängung gehen?

Dieses Buch hat mich auf so viele Weisen überrascht.
Fesselnd, Schockierend und trotz fragwürdiger Entscheidungen, haben mich die Figuren allein aufgrund ihrer Art, Dreistigkeit und ihres Mutes unglaublich fasziniert.
Eine Geschichte von unglaublichen Frauenfiguren, die sich zu Heldinnen ihrer eigenen und anderer Geschichten entpuppten und das unter schrecklichsten Bedingungen.
Zeigen Sie sich einerseits unvermeidlich als Geiseln ihrer Zeit und Sehnsüchte, werden andererseits unaussprechliche Entscheidungen gefällt und starke Charaktere bewiesen.
Eine komplexe Figur wie die der impulsiven 17-jährigen Deborah, aus deren Sicht ein großer Teil dieses Buches geschrieben ist, zu kreieren erscheint mir eine große Herausforderung, die hier so hervorragend gemeistert wurde. Niemandem ist das Leid des zweiten Weltkrieges unbekannt. Dem Leid des Nationalsozialismus. Doch ist es nicht so, dass wir viel zu leicht vergessen und verdrängen? Und selbst wenn wir versuchen uns zu erinnern, es fällt doch immer schwerer, schließlich haben wir es nicht selbst erlebt. Umso wichtiger ist es Einzelschicksale zu erfahren, sich auch mal hineinzudenken und in ein Gedankenexperiment einzusteigen, das leider für viele sehr real war. Ich bin diesem Buch sehr dankbar, diese Geschichte zu erzählen. Selten habe ich wegen einem Buch mit so viel Realwert, mit einer Geschichte, die genauso hätte geschehen können oder zum Teil sogar geschah, so bekümmerlich geweint und dem Verlust von Figuren nachgetrauert. Der Unwissenheit wegen an Unruhe und Angst gewonnen. Es ist ein Spiel mit den Gefühlen des Lesers. Es regt zum Nachdenken an. Es bestärkt darin zu hinterfragen und zu erinnern. Denn das ist alles was heute zählt. Die Geschichte wie einen Schatz in uns zu tragen und unsere Lehre daraus zu ziehen. Und das bedeutet genauso, immer wieder zu reflektieren und nicht vor hässlichen Wahrheiten zurückzuschrecken.

Nun eine Frage an euch:
Habt ihr eure Großeltern schon einmal auf ihre Zeit inmitten oder nach dem Krieg angesprochen?
Wenn ja, wie seid ihr aus dem Gespräch hervorgegangen?




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@helenalleandra