Zeitalter der Bekanntschaften

475 Freunde auf Facebook,
1023 Follower auf Instagram,
165 Kontakte auf Whatsapp.

Nie hat man sich so über Zahlen definiert wie heute.
Das Internet ist zu unserem zweiten Erscheinungsbild geworden. Hat der erste Eindruck, sozusagen die einmalige Aufführung nicht genug überzeugt, so dienen Accounts der sozialen Netzwerke als zweite Chance das Bühnenbild noch beeindruckender zu präsentieren.
Doch hier soll es gar nicht primär um das Internet gehen, sondern vielmehr um ein damit einhergehendes Phänomen.
Wir sind in einem Zeitalter der Bekanntschaften angekommen.
Im Fokus steht Quantität, statt Qualität.
Das möchte ich nicht für alle annehmen, es ist lediglich eine zurzeit gehäufte Beobachtung meinerseits.
Soziale Netzwerke ermöglichen uns ständige Erreichbarkeit, weltweite Kommunikation, grenzenlose Möglichkeiten und somit auch eine unglaublich große Instandhaltung von Kontakten.
Und das wird natürlich genutzt.
Denn welch einfachere Methode gibt es, sich all seine Kontakte übersichtlich zusammen zuhalten und dann auch noch im Luxus, der hauptsächlich sehr oberflächlichen Pflege?
Doch liegt genau da nicht das Problem?
Kann dieser Überschwang an Kontaktmöglichkeiten, die ständige Präsenz so vieler Menschen nicht dazu führen, die wirklichen Freundschaften aus dem Auge zu verlieren?
So viele Gespräche drehen sich heutzutage um die neuesten Fotos, der Instagram-Accounts anderer Leute, die Snapstories von Bekannten oder den teilweise soapwürdigen Dramen von Freunden und Freundes Freunden.
Wir sind so vernetzt miteinander, dass sich die Fäden immer weiter spannen. Und gleichzeitig werden viele Gespräche immer oberflächlicher, immer ähnlicher. Es ist als wäre man in einer modernen, Internet verseuchten Version von "Und täglich grüßt das Murmeltier".
Ich bin an einem Punkt angekommen, der mich überdenken lässt, was wirklich Freunde sind. Wer sie sind. Und
von Herzen zu schätzen, sie für zukünftige Abenteuer an meiner Seite zu wissen.
Denn ist es nicht so, dass wir immer mehr Kontakte halten, von denen wir insgeheim wissen, dass sie uns nicht gut tun?
Zu oft habe ich von Freunden gehört, dass vermeintlich gute Freunde ihrerseits, über sie lästerten, ihnen ein ungutes Gefühl gaben, ein unnötig schlechtes Gewissen bereiteten, in schwierigen Situationen nicht als Schulter zum anlehnen und unterstützen dienten. Das sind für mich keine Indizien wahrer Freundschaft.
Genauso wenig, wie wenn man nicht das Gefühl hat, unter diesen Menschen komplett man selbst sein zu können, und was gibt es wichtigeres? Stattdessen wird sich angepasst, Rollen werden eingenommen.
Der Aspekt des "viele Freunde habens" hat für einige den Charakter eines Statements, eines Statussymbols angenommen. Doch warum nimmt das einen höheren Stellenwert ein als unser eigenes Wohlbefinden?
Wenn ihr mich fragt, machen gute Freundschaften aus, dass man sich fallen lassen kann und einem Energie zukommt und nicht genommen wird. Dass es ein Geben und Nehmen gibt, welches sich die Waage hält. Nicht umsonst heißt es, Freunde sind die Familie, die man sich aussucht.
Also fassen wir doch den Mut zu unterscheiden. Bekanntschaften von Freundschaften zu trennen.
Den Mut energieraubende, belastende Beziehungen zu kappen oder reduzieren.
Fokussieren wir uns wieder mehr auf die Menschen, die uns wirklich wichtig sind. Die mit denen es genauso gut möglich ist einen Abend zusammen Pferde zu stehlen, wie den anderen Abend über den Sinn des Lebens zu philosophieren.
Die uns am tiefsten Punkt angekommen, helfen eine Leiter zu bauen und die mit uns, den Hochpunkt erreicht, bis zum Morgengrauen durchtanzen.
Die Art von Freunden, mit denen man über alles und nichts reden kann. Zusammen den Sternschnuppen hinterherjagt.
Denn es braucht keine Horde an Menschen hinter dir, nur ein paar Wenige.
Aber dann die Richtigen.




What's your opinion?

  1. Wow, unfassbar toller Beitrag - du sprichst mir aus der Seele! :)
    Dadurch, dass ich noch nie einen Facebook Account hatte, war ich damals in der Schule fast unsichtbar oder wurde als komisch abgestempelt. Von Partys die am Wochenende stattgefunden haben, habe ich Montag morgens erfahren, wenn sich alle anderen darüber unterhalten haben.
    Selbst heute, nutze ich soziale Netzwerke vielmehr als Tagebuch oder um meine Gedanken/Arbeiten mit anderen zu teilen, anstatt super vernetzt und immer auf dem neusten Stand zu sein.

    Ich finde es, vor allem in der jetzigen Zeit, sehr wichtig, sich auf ein paar gute Freunde verlassen zu können, anstatt seine wertvolle Zeit mit Menschen und Smalltalk zu vergeuden der im Grunde genommen zu nichts weiterem führen wird.
    Für manche mag sich das komisch anhören doch mir tut das unglaublich gut mich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

    Liebe Grüße
    Vanessa

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    1. Hey Vanessa,
      vielen lieben Dank für deinen ausführlichen Kommentar! Es freut mich sehr zu hören, dass damit eine für dich ebenso präsente Thematik angesprochen wurde und ich nicht allein dastehe mit meinem Wunsch den Fokus neu zu lenken :)
      Meiner Meinung nach ist es sehr mutig von dir, dich so aus den sozialen Netzwerken rauszuhalten - so blöd das gerade klingt- aber heutzutage ist es wirklich nicht mehr selbstverständlich keinen Facebook Account zuhaben, auch wenn man dort zunehmend mit negativen News überschüttet wird...
      Liebe Grüße
      Helena

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  2. ich hab mich selten so gefreut, einen neuen blog zu entdecken, wie in dem moment, als ich vorhin über deinen gestolpert bin. ich liebe wie und über was du schreibst, und deine bildsprache ist wunderbar <3
    du hast hiermit einen neuen fan :)
    alles liebe!
    melanie // miss ninja cookie

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    1. Du hast mich total zum Strahlen gebracht mit deinem Kommentar, vielen Dank Melanie!
      Alles Liebe
      Helena

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  3. Ein sehr berührender Text, der mich zum Nachdenken gebracht hat! Ich persönlich habe kenne nur eine Handvoll von Menschen, die ich als gute Freunde bezeichnen kann. Natürlich ist es schön viele Leute zu kennen und nie das Gefühl haben zu müssen, alleine zu sein. Aber man sollte immer wissen, auf wen man sich wirklich verlassen kann und wer auch in schwierigen Zeiten zu einem steht :)
    Liebe Grüße, Lia
    liaslife

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    1. Es freut mich sehr, dass dich der Text zum Nachdenken gebracht hat! Ich stimme vollkommen mit dir überein, das Wissen um den richtigen Fokus ist wahnsinnig wichtig! :)
      Alles Liebe
      Helena

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  4. Wow, der Post ist wirklich wundervoll, Liebes! Ich kann dir bei deinen Worten wirklich nur zu stimmen, ganz großes Kompliment :)

    Liebe Grüße, Julia ☾ | www.serendipityblog.de

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  5. Wirklich schöner Post. Wirklich schön, wie du schreibst.
    Ich weiß genau was du meinst. Ich habe auf Facebook gerade mal 19 Freunde, folge auf Instagram nie mehr als 10-50 Menschen, bzw. nur denen, die mich wirklich inspirieren. Leute mit 100 000 Followern, die aber selbst mehr als 7000 Menschen folgen sind mir unsympathisch, egal wie schön die Bilder sind. Ich möchte auch, dass meine Bilder und mein Content die Menschen, die es interessiert, erreicht. Aber #follow4follow ist einfach nicht so mein Ding.
    Liebste Grüße
    Carmen ♥

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  6. Toller Blog! Ich finde es sehr wichtig, dass man auch solche Themen anspricht. Ich stehe wirklich 1 zu 1 hinter deinem Standpunkt :)

    LG Cella❤️ | Hier geht's zu meinem Blog

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@helenalleandra